Biografisches Erzählen fördert gerade auch im Alter die Aufrechterhaltung der individuellen Identität und die soziale Teilhabe. Anne-Marie Nicole, Koordinatorin des Netzwerks Erzählcafé in der Romandie (im Bild), berichtet im Magazin Artiset von ihren Erfahrungen mit Erzählcafés in verschiedenen Settings, zum Beispiel im Pflegeheim.

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Die #Freundschaftsinitiative von Migros-Engagement war erfolgreich: Unter anderem veranstaltete das Netzwerk Erzählcafé mehrere Erzählcafés zum Thema Freundschaft. Die Moderierenden teilen ihr Feedback hier auf dem Schwarzen Brett.

Mehr Einblicke ins Thema gibt auch Sylvia Hablützel im Interview.

Am Freitag, 22. März 2024, findet die Mitgliederversammlung 2024 statt. Anschliessend treffen wir uns zum Mittagessen und zum Werkstattgespräch. Mit dabei sind spannende Referent*innen, die je einen Kurz-Input zum Thema «Respekt üben – und wie?» geben:

 

  • Sentitreff Luzern: «Wie wir Respekt leben und verstehen – aus dem Treffpunkt im BaBeLQuartier»
  • Brigitte Rychen, Fachstelle PEP: «Respekt für die Vielfalt von Körperbildern»
  • «Respekt zwischen den Generationen»
  • Pro Infirmis Ticino e Moesano: «Ti rispetto – scrivo un testo in lingua facile» (in leichter Sprache)

Im Anschluss haben wir viel Zeit für den persönlichen Austausch und ein Schnuppererzählcafé.

Das Programm finden Sie im Flyer. Wir freuen uns, Mitglieder und Interessierte zum Werkstattgespräch in Luzern zu begrüssen! Melden Sie sich gleich an.

 

Das Netzwerk Erzählcafé und Migros-Engagement bieten im Rahmen der #Freundschaftsinitiative eine Reihe von Erzählcafés zum Thema «Freundschaft» an. Natalie Freitag, die das Netzwerk Erzählcafé in der Deutschschweiz koordiniert, hat mit Silvia Hablützel gesprochen. Die erfahrene Moderatorin aus Appenzell Ausserrhoden erzählt, was ihr persönlich Freundschaft bedeutet.

Interview: Natalie Freitag
Foto: zVg

Natalie Freitag: Silvia, was bedeutet Freundschaft für dich? Wie wichtig ist dir Freundschaft?

Silvia Hablützel, Fachfrau Pflege und Gesundheit und Moderatorin aus Herisau: Sie ist mir sehr wichtig. Menschen sind mir sehr wichtig. Begegnungen, Austausch haben, zusammen durch die Höhen und Tiefen des Lebens gehen. «Es sind die Begegnungen mit Menschen, die das Leben lebenswert machen»: Dieses Zitat von Guy de Maupassant sagt für mich sehr viel aus.

Hast du eine langjährige Freundschaft? Oder eine ganz neue? Wie und wo kam es zu diesen Freundschaften?

Es gibt alte Freundschaften, die zu einer bestimmten Zeit des Lebens für mich sehr wichtig und intensiv waren, zum Bespiel aus der Zeit der Ausbildung, als wir zusammen Visionen und Träume teilten. Ich habe aus dieser Zeit drei Freunde*innen, die mich durchs Leben begleitet haben. Durch sie habe ich auch meinen Mann kennengelernt, als wir gemeinsam Trauzeug*innen waren an der Hochzeit einer dieser Freundinnen. Mit alten Freunden verbinden mich Geschichten, Erlebnisse und Erfahrungen. Das schweisst zusammen. Es gibt aber auch neue Freundschaften in meinem Leben – das Neue, einander kennenlernen und entdecken können, das ist spannend. Es gibt auch Freundinnen, die ich lange Zeit nicht sehe und keinen Kontakt habe, dennoch bleibt die emotionale Verbindung gegenseitig bestehen und wir wissen, dass wir jederzeit füreinander da sind.

Gab es auch Freundschaften, die mit der Zeit auseinandergingen?

Das gab es auch. Eine Freundschaft endete abrupt, von viel Kontakt zum totalen Kontaktabbruch. Schmerzliche Erfahrungen und Trennungen gehören eben auch zum Thema Freundschaften.

Bist du eine gute Freundin? Was tust du dafür?

Ja, das würde ich sagen. Ich habe ein offenes Ohr, habe Zeit, bin da. Zuhören, laut denken und eine Sparring-Partnerin sein, die auch kritisch ist – im Sinne eines Angebots, Beständigkeit, Vertrauen und Pflege der Beziehung durch Zeichen geben, z.B. Briefe schreiben. Und was mir ganz wichtig ist, zusammen zu lachen.

Erzähl uns noch etwas über dich und deine Arbeit mit dem Erzählcafé!

Seit vier Jahren führe ich in Herisau, Heiden und Stein im Kanton Appenzell Ausserrhoden Erzählcafés durch. Dies im Rahmen meiner Anstellung bei Pro Senectute. Erzählcafés bieten die Möglichkeit, einen Teil meines Auftrags für die Gesundheitsförderung im Alter zu erfüllen. Austausch und Gemeinschaft zu ermöglichen, gegen die Einsamkeit. Es entstehen daraus Begegnungen, manchmal Freundschaften. Man kennt sich im Dorf, wenn man sich trifft, geht zusammen auch Kaffee trinken. Was mir ganz besonders gefällt, ist die Tiefe, die Intensität, die im Erzählcafé möglich wird. Man kommt jemandem in nur ein bis zwei Stunden nahe und teilt sehr Persönliches.

Was ist deine Geschichte, die dir spontan in den Sinn kommt zum Thema Freundschaft?

Das ist eine schöne Geschichte: Es war an einem Erzählcafé zum Thema «auf den Hund gekommen». Eine Frau hatte ihre Nachbarin spontan mitgenommen, da ihr Hund gerade an diesem Morgen eingeschläfert werden musste. Es war auch ein Mann anwesend, dem Hunde sehr wichtig waren. Die beiden lernten sich dort kennen und sind heute ein Paar. Jetzt haben sie sich gerade zusammen einen jungen Hund zugelegt.

Zur Person

Silvia Hablützel ist erfahrene Erzählcafé-Moderatorin. Sie ist Pflegefachfrau HF/BScN und Leiterin des kantonalen Programms «Zwäg is Alter» bei Pro Senectute AR. Suchen Sie eine Moderation für Ihr Erzählcafé? Hier finden Sie Kontakte.

Der Verein Netzwerk Erzählcafé blickt auf ein ereignisreiches Jahr 2023 zurück:

  • Es wurden ca. 315 Erzählcafés in der Agenda eingetragen.
  • Der Verein konnte 99 Mitglieder gewinnen.
  • Eine Stakeholderanalyse wurde durchgeführt und eine Liste möglicher Stiftungen und Organisationen für die weitere Finanzierung erstellt.
  • Von Januar bis März 2023 fanden in der Schweiz, Österreich und Deutschland mehr als 10 öffentliche Buchvernissagen des Buchs «Erzählcafés: Einblicke in Praxis und Theorie» statt.
  • Am Werkstattgespräch vom 20. März 2023 in Olten trafen sich ca. 30 Teilnehmende zum Austausch.
  • Vom 17.-19. November 2023 fanden in der ganzen Schweiz die Erzählcafé-Tage 2023 zum Thema «Zuhören» statt.

Erfahren Sie mehr über unser erstes Jahr als Verein im Jahresbericht 2023 (PDF).

Alle Jahresberichte finden Sie hier.

Um lebendige Erzählcafé-Strukturen auf lokaler Ebene zu schaffen, sucht das Netzwerk Erzählcafé regionale Botschafter*innen. Gemeinsam gehen wir auf Institutionen vor Ort zu: Bibliotheken, Quartiervereine, Gemeinden oder Kirchgemeinden zu. Rhea sagt, welche Eigenschaften jemand für die Rolle mitbringen soll und wie die Arbeit entschädigt wird.

 

Warum sucht das Netzwerk Erzählcafé regionale Botschafter*innen?

Rhea Braunwalder: Als neuer Verein wollen wir erreichen, dass noch mehr Menschen Erzählcafés erleben dürfen. Deshalb ist es unser Ziel, in allen Regionen der Schweiz Erzählcafés zu verankern. Damit dies langfristig und nachhaltig ist, braucht es Menschen vor Ort, die gut vernetzt sind und den Motor am Laufen halten. Es reicht nicht, wenn eine zentrale Stelle in jedem Winkel des Landes einmalig Erzählcafés organisiert.

Wer kann sich bei dir melden?

Ich suche Persönlichkeiten mit Eigeninitiative, die in ihrer Region ein Erzählcafé-Projekt realisieren oder das Erzählcafé als Methode verankern wollen. Die Person sollte gut vernetzt sein, auf andere zugehen können und kommunikativ sein. Gemeinsam sprechen wir die relevanten Akteurinnen und Akteure in der Region an und befähigen die Botschafter*in, selber Erzählcafés anzubieten. Natürlich sollte die Person auch Mitglied vom Verein sein.

Muss man Moderationserfahrung mitbringen?

Moderations-Erfahrung ist von Vorteil, aber vor allem wichtig, ist es Erzählcafés erlebt zu haben und vom Format überzeugt zu sein. Die regionalen Botschafter*innen vernetzen sich mit den Moderierenden in ihrer Region und übernehmen eine Art Schnittstellenfunktion zwischen dem Verein und den Moderierenden. Die Geschäftsstelle steht in engem Kontakt mit der Person und unterstützt sie tatkräftig.

Wie sieht die Arbeit von regionalen Botschafter*innen konkret aus?

Das kann sehr unterschiedlich sein, je nach Region und Möglichkeiten, die eine Person mitbringt. Er oder sie…
  • ist Ansprechperson für Interessierte in der Region.
  • vernetzt neue und erfahrene Moderierende, die im Kanton wohnen.
  • begleitet den Aufbau eines kantonalen Erzählcafé-Netzwerks und ist bereit, Institutionen, Organisationen, Teilnehmende und die Öffentlichkeit zu kontaktieren.
  • unterstützt regionale Einführungskurse und lädt dazu lokale Partner*innen ein.
  • nimmt einmal pro Jahr an einem Austauschtreffen der regionalen Botschafter*innen teil.
  • initiiert ein Erzählcafé-Projekt mit anderen Personen im Quartier.
  • darf als Kontaktperson für die Region auf der Website aufgeführt werden.

 

Wie profitieren Personen, die sich als regionale Botschafter*innen fürs Netzwerk engagieren?

  • Sie besuchen den Kurs «Weiterbildung 2024: Fit für die Begleitung von Moderierenden» vergünstigt.
  • Sie werden vom Netzwerk beraten und unterstützt und stehen mit einer Person aus der Geschäftsstelle in engem Kontakt.
  • Sie werden mit einer Pauschale plus Spesen entschädigt.
  • Sie nehmen kostenlos am Werkstattgespräch und an der Intervision teil.
  • Sie erfahren Wertschätzung.

Bitte schreiben Sie Rhea, wenn Sie in einer Region gut vernetzt sind und das Netzwerk Erzählcafé unterstützen können.

Das Netzwerk Erzählcafé und Migros-Engagement bieten im Rahmen der #Freundschaftsinitiative eine Reihe von Erzählcafés zum Thema «Freundschaft» an. Wir erzählen uns von Sandkastenfreund*innen, flüchtigen Begegnungen und verpassten Chancen. Sind Sie neugierig und freuen sich darauf, neue Menschen und ihre Perspektiven kennenzulernen? Besuchen Sie ein Erzählcafé in der Region:

Viele weitere Erzählcafés finden Sie in der Agenda. Moderierende und Veranstaltende finden hier den Leitfaden «Freundschaft».

Johanna Kohn, Professorin an der Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule für Soziale Arbeit, hat mit einem Forschungsteam die Empathie in Online-Erzählcafés untersucht. Sie wollte wissen, ob auch das Online-Setting einen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten kann. Die theoretisch gestützte Annahme, dass Empathie ein Schlüsselfaktor für die Vielfalt ist und durch Erzählungen hergestellt werden kann, wurde in dieser Begleitstudie weitgehend bestätigt.

Die Ergebnisse der Begleitstudie zeigen, dass Empathie in den Erzählcafés sowohl verbal als auch nonverbal eine grosse Rolle spielt. Die an der Studie beteiligten Teilnehmenden berichteten von einem tiefen Verständnis, Respekt und dem Bedürfnis, mehr über andere Menschen zu erfahren. Auf individueller Ebene fühlten sich die meisten Teilnehmenden verstanden, gesehen, respektiert – und sie hatten das Bedürfnis, mehr von den anderen zu hören. Das Zuhören stellte sich als eine Grund-Dimension des Empathie-Erlebens heraus. Auf Gruppenebene entwickelte sich im Laufe der Erzählcafés ein Gefühl von Gemeinschaft und Zugehörigkeit.

Es können neue Kontakte entstehen

Die Studie hebt auch die Bedeutung der Moderation, der Rahmenbedingungen und eines sicheren Raums für das Online-Setting hervor. Eine klare Struktur, die respektvolle Gesprächsführung und das Einhalten von Regeln schaffen einen «geschützten Raum», in dem Menschen gerne von sich etwas preisgeben. Die Moderation spielt eine entscheidende Rolle, denn sie schafft eine Atmosphäre von Respekt und Wohlwollen und verknüpft die Geschichten der Teilnehmenden.

Manchmal suchten die Teilnehmenden untereinander auch im Nachhinein Kontakt. Dass man etwas füreinander und miteinander tun will, ist eine weitere Dimension von empathischem Verhalten. Das Forschungsteam konnte nicht untersuchen, wie lange die nachweisbare Empathie über die Erzählcafés hinaus wirkt.

Das Studienteam schlägt vor, dass kleinere Folgeprojekte und Begegnungen nach den Erzählcafés ein Indikator für die Nachhaltigkeit sein könnten. Ein Vergleich mit analogen Erzählcafés und die Untersuchung der Unterschiede zwischen Online- und Offline-Formaten wären interessante Ansätze für zukünftige Forschungsprojekte.

Wichtige Erkenntnisse für Online-Erzählcafés

Dem Forschungsteam, das Erfahrung mit analogen und digitalen Erzählcafés hat, fiel auf:

  • Im Online-Erzählcafé wurde der Café-Teil nicht zum unkomplizierten Austausch und Weitererzählen genutzt; vielmehr nahmen sich die Teilnehmenden eine Pause vom Bildschirm, um sich zu bewegen, auf die Toilette zu gehen oder sich mit Essen und Trinken zu versorgen. Dagegen nimmt der Café-Teil in analogen Erzählcafés einen persönlich und methodisch wichtigen Stellenwert ein. Andererseits wurde die Möglichkeit zum themengerichteten Austausch in den moderierten Reflexionsrunden gleich im Anschluss an die Pause rege genutzt.
  • Zum Teil waren die Erzählungen im Online-Café persönlicher, intimer und hatten eine grössere Erlebnistiefe, als das in analogen Erzählcafés beobachtet wurde. Es wäre interessant, die Annahme zu prüfen, dass die Teilnahme aus dem eigenen sicheren persönlichen Raum heraus und die Möglichkeit, sich aus der online-Situation jederzeit zurückziehen zu können, gleichzeitig auch mehr Sicherheit und Vertrauen schafft.

Die gesamte Begleitstudie können Sie hier lesen.

Wie definiert die Studie «Empathie»?

Empathie bezeichnet die Fähigkeit, die Gedanken und Gefühle anderer zu erkennen und darauf zu reagieren, insbesondere in Bezug auf deren Leiden. Es gibt zwei Hauptformen von Empathie: affektive Empathie, bei der eine emotionale Reaktion in uns ausgelöst wird, und kognitive Empathie, die die Perspektive und den emotionalen Zustand anderer erfasst, ohne diese Gefühle mit den eigenen zu vermischen. Die Kombination beider Formen führt zu Mitgefühl, das als Reaktion auf das Leiden anderer verstanden wird. Empathie ist eine Schnittstelle zwischen Rationalität und Emotionalität, die es ermöglicht, nicht nur intellektuell, sondern auch emotional die Perspektive anderer zu verstehen.

Über die Studie

Die Begleitstudie wurde von der Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule für Soziale Arbeit, und vom Migros-Kulturprozent finanziert.  Johanna Kohn führte die Untersuchung mit Noemi Balsiger, Daniele Bigoni und Simone Girard-Gröber im Zeitraum Juni 2021 bis November 2022 in der Schweiz durch. Die Studie beschäftigt sich mit der Frage, ob und wie sich in Online-Erzählcafés Empathie zeigt und wie diese gefördert werden kann. An der Studie haben neun Personen mitgemacht. Sie wurden an drei Erzählcafés beobachtet.

Am 17. Oktober 2023 fand an der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung (EHB) in Lugano das Thementreffen des Netzwerks Erzählcafé für die italienische Schweiz statt. Für diese Veranstaltung haben wir ein ebenso wichtiges wie komplexes Thema gewählt: den Umgang mit der Privatsphäre, wenn autobiografische Geschichten miteinander geteilt werden. An der Veranstaltung nahmen Marilù Zanella (Auto aiuto Ticino), Noè Albergati (EHB), Ludmila Crippa (Moderatorin des Netzwerks Erzählcafé) und Michelle Colombo (Verfasserin einer Diplomarbeit über formelle und informelle Hilfe) teil.

Von Valentina Pallucca Forte

Das gewählte Thema ermöglichte es uns, verschiedene Methoden des Austauschs zu vergleichen, die manchmal verwechselt werden. Wir befassten uns insbesondere mit Selbsthilfegruppen und der Human Library. Zwar kann man davon ausgehen, dass die an Erzählcafés teilnehmenden Personen einen kleinen (oder grossen) Teil ihrer Erfahrungen preisgeben möchten, es kann aber passieren, dass sie zu viel von sich erzählen. Manchmal kommt es vor, dass man sich in dieser ungezwungenen und freundlichen Atmosphäre gehen lässt und den anderen mehr offenbart, als man eigentlich möchte oder geplant hatte.

In Selbsthilfegruppen ist die Situation möglicherweise noch heikler, da oft sensible Themen behandelt werden. Wenn ich zum Beispiel an einer Selbsthilfegruppe zum Thema Magersucht teilnehme, weil meine Tochter an einer Essstörung leidet, wissen dann die anderen Teilnehmenden, dass es dieses Problem in meiner Familie gibt. Wer schützt die Privatsphäre meiner Tochter? Wie viel kann ich über sie in der Gruppe erzählen? Wo ist in diesen Fällen die Grenze zu ziehen? Am Treffen stellte sich heraus, dass dies in kleinen Städten wie Lugano noch problematischer ist, da es sein kann, dass man jemanden aus der Gruppe kennt.

Die Human Library

Interessant war auch, was eine Teilnehmerin erzählte, die eine andere Methode des Austausches ausprobieren wollte: die Human Library. Bei der Human Library werden Menschen zu Büchern, die man durchblättern kann. Sie stellen sich für eine bestimmte Zeit anderen Menschen zur Verfügung, um gelesen zu werden, sprich um Fragen zu ihrer persönlichen Geschichte zu beantworten. Das hat sie erzählt:

«Ich war sofort Feuer und Flamme, als mir vorgeschlagen wurde, mich als menschliches Buch für die Human Library zur Verfügung zu stellen. Als ich aber meiner Familie davon erzählte, stiess ich auf grossen Widerstand. Meine Lebensgeschichte ist mit der meiner Familienangehörigen verflochten, und sie waren nicht so begeistert wie ich von der Vorstellung, sie öffentlich zu erzählen. Letztendlich habe ich einen Rückzieher gemacht, um ihre Privatsphäre zu schützen.»

Diese Erzählung zeigt uns, wie unsere Lebensgeschichten unweigerlich mit den Lebensgeschichten unserer Familienangehörigen, Freunde und Vertrauten verbunden sind. Zwar können wir unsere Privatsphäre oder die Privatsphäre der uns nahestehenden Personen mit einigen kleineren Strategien schützen, eine Grenze festlegen, über die wir nicht hinausgehen wollen. Es lohnt sich jedoch immer, die Teilnehmenden dazu aufzufordern, respektvoll mit den persönlichen Erzählungen umzugehen und sie vertraulich zu behandeln.

Den Moderierenden kommt beim Schutz der Privatsphäre der erzählenden Personen eine entscheidende Rolle zu. Sie müssen Situationen, die die Privatsphäre der erzählenden Personen gefährden könnten, erkennen und mit Feingefühl damit umgehen. Das Moderieren von Erzählcafés ist eine Kunst, die man mit der Zeit erlernt. In diesem Zusammenhang möchten wir daran erinnern, dass das Netzwerk Erzählcafé regelmässig Einführungskurse für angehende Moderatorinnen und Moderatoren sowie Möglichkeiten zum Austausch und Vertiefen bestimmter Themen anbietet.

In unserer Agenda finden Sie alle kommenden Veranstaltungen.

In diesem Video erfahren Sie mehr über die Human Library:

Prof. lic. phil. Johanna Kohn (im Bild) wird im Frühjahr 2024 eine inspirierende Weiterbildung für Moderierende anbieten. Johanna ist Professorin an der Fachhochschule Nordwestschweiz, Mitgründerin des Netzwerks Erzählcafé und eine Koryphäe im Bereich der biografischen Erzählformate. Die Weiterbildung in zwei Modulen und einer Praxisphase richtet sich an Moderierende, die künftig andere Moderierende in ihrer Region begleiten oder Erzählcafé-Einführungskurse anbieten möchten.

Johanna Kohn (Bild: FHNW)

Daten:

Wir starten mit dem ersten Modul am 12./13. Februar 2024 in Olten. Das zweite Modul findet am 24. Mai 2024 online statt. Danach begleitet die Kursleitung Sie für ca. ein Jahr.

Infos:

In diesem Flyer finden Sie alle Informationen zur neuen Weiterbildung.

Kursleitung:

Johanna Kohn mit Unterstützung von Rhea Braunwalder und Natalie Freitag.

Ihre Vorteile:

  • Sie bekommen das Rüstzeug, um eigene Erzählcafé-Einführungskurse in Ihrer Region anzubieten und Moderierende auszubilden.
  • Sie entwickeln Ihre eigene Projektidee und werden dabei von der Kursleitung und der Gruppe unterstützt.

Vergünstigter Preis von CHF 400.- für:

Anmeldung:

Wir freuen uns, wenn Sie mit dabei sind und sind überzeugt, dass diese Weiterbildung Sie auf Ihrem persönlichen Weg als Moderator*in weiterbringt.