Am Freitag, 22. März 2024, findet die Mitgliederversammlung 2024 statt. Anschliessend treffen wir uns zum Mittagessen und zum Werkstattgespräch. Mit dabei sind spannende Referent*innen, die je einen Kurz-Input zum Thema «Respekt üben – und wie?» geben:

 

  • Sentitreff Luzern: «Wie wir Respekt leben und verstehen – aus dem Treffpunkt im BaBeLQuartier»
  • Brigitte Rychen, Fachstelle PEP: «Respekt für die Vielfalt von Körperbildern»
  • «Respekt zwischen den Generationen»
  • Pro Infirmis Ticino e Moesano: «Ti rispetto – scrivo un testo in lingua facile» (in leichter Sprache)

Im Anschluss haben wir viel Zeit für den persönlichen Austausch und ein Schnuppererzählcafé.

Das Programm finden Sie im Flyer. Wir freuen uns, Mitglieder und Interessierte zum Werkstattgespräch in Luzern zu begrüssen! Melden Sie sich gleich an.

 

Das Netzwerk Erzählcafé und Migros-Engagement bieten im Rahmen der #Freundschaftsinitiative eine Reihe von Erzählcafés zum Thema «Freundschaft» an. Natalie Freitag, die das Netzwerk Erzählcafé in der Deutschschweiz koordiniert, hat mit Silvia Hablützel gesprochen. Die erfahrene Moderatorin aus Appenzell Ausserrhoden erzählt, was ihr persönlich Freundschaft bedeutet.

Interview: Natalie Freitag
Foto: zVg

Natalie Freitag: Silvia, was bedeutet Freundschaft für dich? Wie wichtig ist dir Freundschaft?

Silvia Hablützel, Fachfrau Pflege und Gesundheit und Moderatorin aus Herisau: Sie ist mir sehr wichtig. Menschen sind mir sehr wichtig. Begegnungen, Austausch haben, zusammen durch die Höhen und Tiefen des Lebens gehen. «Es sind die Begegnungen mit Menschen, die das Leben lebenswert machen»: Dieses Zitat von Guy de Maupassant sagt für mich sehr viel aus.

Hast du eine langjährige Freundschaft? Oder eine ganz neue? Wie und wo kam es zu diesen Freundschaften?

Es gibt alte Freundschaften, die zu einer bestimmten Zeit des Lebens für mich sehr wichtig und intensiv waren, zum Bespiel aus der Zeit der Ausbildung, als wir zusammen Visionen und Träume teilten. Ich habe aus dieser Zeit drei Freunde*innen, die mich durchs Leben begleitet haben. Durch sie habe ich auch meinen Mann kennengelernt, als wir gemeinsam Trauzeug*innen waren an der Hochzeit einer dieser Freundinnen. Mit alten Freunden verbinden mich Geschichten, Erlebnisse und Erfahrungen. Das schweisst zusammen. Es gibt aber auch neue Freundschaften in meinem Leben – das Neue, einander kennenlernen und entdecken können, das ist spannend. Es gibt auch Freundinnen, die ich lange Zeit nicht sehe und keinen Kontakt habe, dennoch bleibt die emotionale Verbindung gegenseitig bestehen und wir wissen, dass wir jederzeit füreinander da sind.

Gab es auch Freundschaften, die mit der Zeit auseinandergingen?

Das gab es auch. Eine Freundschaft endete abrupt, von viel Kontakt zum totalen Kontaktabbruch. Schmerzliche Erfahrungen und Trennungen gehören eben auch zum Thema Freundschaften.

Bist du eine gute Freundin? Was tust du dafür?

Ja, das würde ich sagen. Ich habe ein offenes Ohr, habe Zeit, bin da. Zuhören, laut denken und eine Sparring-Partnerin sein, die auch kritisch ist – im Sinne eines Angebots, Beständigkeit, Vertrauen und Pflege der Beziehung durch Zeichen geben, z.B. Briefe schreiben. Und was mir ganz wichtig ist, zusammen zu lachen.

Erzähl uns noch etwas über dich und deine Arbeit mit dem Erzählcafé!

Seit vier Jahren führe ich in Herisau, Heiden und Stein im Kanton Appenzell Ausserrhoden Erzählcafés durch. Dies im Rahmen meiner Anstellung bei Pro Senectute. Erzählcafés bieten die Möglichkeit, einen Teil meines Auftrags für die Gesundheitsförderung im Alter zu erfüllen. Austausch und Gemeinschaft zu ermöglichen, gegen die Einsamkeit. Es entstehen daraus Begegnungen, manchmal Freundschaften. Man kennt sich im Dorf, wenn man sich trifft, geht zusammen auch Kaffee trinken. Was mir ganz besonders gefällt, ist die Tiefe, die Intensität, die im Erzählcafé möglich wird. Man kommt jemandem in nur ein bis zwei Stunden nahe und teilt sehr Persönliches.

Was ist deine Geschichte, die dir spontan in den Sinn kommt zum Thema Freundschaft?

Das ist eine schöne Geschichte: Es war an einem Erzählcafé zum Thema «auf den Hund gekommen». Eine Frau hatte ihre Nachbarin spontan mitgenommen, da ihr Hund gerade an diesem Morgen eingeschläfert werden musste. Es war auch ein Mann anwesend, dem Hunde sehr wichtig waren. Die beiden lernten sich dort kennen und sind heute ein Paar. Jetzt haben sie sich gerade zusammen einen jungen Hund zugelegt.

Zur Person

Silvia Hablützel ist erfahrene Erzählcafé-Moderatorin. Sie ist Pflegefachfrau HF/BScN und Leiterin des kantonalen Programms «Zwäg is Alter» bei Pro Senectute AR. Suchen Sie eine Moderation für Ihr Erzählcafé? Hier finden Sie Kontakte.

Der Verein Netzwerk Erzählcafé blickt auf ein ereignisreiches Jahr 2023 zurück:

  • Es wurden ca. 315 Erzählcafés in der Agenda eingetragen.
  • Der Verein konnte 99 Mitglieder gewinnen.
  • Eine Stakeholderanalyse wurde durchgeführt und eine Liste möglicher Stiftungen und Organisationen für die weitere Finanzierung erstellt.
  • Von Januar bis März 2023 fanden in der Schweiz, Österreich und Deutschland mehr als 10 öffentliche Buchvernissagen des Buchs «Erzählcafés: Einblicke in Praxis und Theorie» statt.
  • Am Werkstattgespräch vom 20. März 2023 in Olten trafen sich ca. 30 Teilnehmende zum Austausch.
  • Vom 17.-19. November 2023 fanden in der ganzen Schweiz die Erzählcafé-Tage 2023 zum Thema «Zuhören» statt.

Erfahren Sie mehr über unser erstes Jahr als Verein im Jahresbericht 2023 (PDF).

Alle Jahresberichte finden Sie hier.

Das Netzwerk Erzählcafé und Migros-Engagement bieten im Rahmen der #Freundschaftsinitiative eine Reihe von Erzählcafés zum Thema «Freundschaft» an. Wir erzählen uns von Sandkastenfreund*innen, flüchtigen Begegnungen und verpassten Chancen. Sind Sie neugierig und freuen sich darauf, neue Menschen und ihre Perspektiven kennenzulernen? Besuchen Sie ein Erzählcafé in der Region:

Viele weitere Erzählcafés finden Sie in der Agenda. Moderierende und Veranstaltende finden hier den Leitfaden «Freundschaft».

Johanna Kohn, Professorin an der Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule für Soziale Arbeit, hat mit einem Forschungsteam die Empathie in Online-Erzählcafés untersucht. Sie wollte wissen, ob auch das Online-Setting einen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten kann. Die theoretisch gestützte Annahme, dass Empathie ein Schlüsselfaktor für die Vielfalt ist und durch Erzählungen hergestellt werden kann, wurde in dieser Begleitstudie weitgehend bestätigt.

Die Ergebnisse der Begleitstudie zeigen, dass Empathie in den Erzählcafés sowohl verbal als auch nonverbal eine grosse Rolle spielt. Die an der Studie beteiligten Teilnehmenden berichteten von einem tiefen Verständnis, Respekt und dem Bedürfnis, mehr über andere Menschen zu erfahren. Auf individueller Ebene fühlten sich die meisten Teilnehmenden verstanden, gesehen, respektiert – und sie hatten das Bedürfnis, mehr von den anderen zu hören. Das Zuhören stellte sich als eine Grund-Dimension des Empathie-Erlebens heraus. Auf Gruppenebene entwickelte sich im Laufe der Erzählcafés ein Gefühl von Gemeinschaft und Zugehörigkeit.

Es können neue Kontakte entstehen

Die Studie hebt auch die Bedeutung der Moderation, der Rahmenbedingungen und eines sicheren Raums für das Online-Setting hervor. Eine klare Struktur, die respektvolle Gesprächsführung und das Einhalten von Regeln schaffen einen «geschützten Raum», in dem Menschen gerne von sich etwas preisgeben. Die Moderation spielt eine entscheidende Rolle, denn sie schafft eine Atmosphäre von Respekt und Wohlwollen und verknüpft die Geschichten der Teilnehmenden.

Manchmal suchten die Teilnehmenden untereinander auch im Nachhinein Kontakt. Dass man etwas füreinander und miteinander tun will, ist eine weitere Dimension von empathischem Verhalten. Das Forschungsteam konnte nicht untersuchen, wie lange die nachweisbare Empathie über die Erzählcafés hinaus wirkt.

Das Studienteam schlägt vor, dass kleinere Folgeprojekte und Begegnungen nach den Erzählcafés ein Indikator für die Nachhaltigkeit sein könnten. Ein Vergleich mit analogen Erzählcafés und die Untersuchung der Unterschiede zwischen Online- und Offline-Formaten wären interessante Ansätze für zukünftige Forschungsprojekte.

Wichtige Erkenntnisse für Online-Erzählcafés

Dem Forschungsteam, das Erfahrung mit analogen und digitalen Erzählcafés hat, fiel auf:

  • Im Online-Erzählcafé wurde der Café-Teil nicht zum unkomplizierten Austausch und Weitererzählen genutzt; vielmehr nahmen sich die Teilnehmenden eine Pause vom Bildschirm, um sich zu bewegen, auf die Toilette zu gehen oder sich mit Essen und Trinken zu versorgen. Dagegen nimmt der Café-Teil in analogen Erzählcafés einen persönlich und methodisch wichtigen Stellenwert ein. Andererseits wurde die Möglichkeit zum themengerichteten Austausch in den moderierten Reflexionsrunden gleich im Anschluss an die Pause rege genutzt.
  • Zum Teil waren die Erzählungen im Online-Café persönlicher, intimer und hatten eine grössere Erlebnistiefe, als das in analogen Erzählcafés beobachtet wurde. Es wäre interessant, die Annahme zu prüfen, dass die Teilnahme aus dem eigenen sicheren persönlichen Raum heraus und die Möglichkeit, sich aus der online-Situation jederzeit zurückziehen zu können, gleichzeitig auch mehr Sicherheit und Vertrauen schafft.

Die gesamte Begleitstudie können Sie hier lesen.

Wie definiert die Studie «Empathie»?

Empathie bezeichnet die Fähigkeit, die Gedanken und Gefühle anderer zu erkennen und darauf zu reagieren, insbesondere in Bezug auf deren Leiden. Es gibt zwei Hauptformen von Empathie: affektive Empathie, bei der eine emotionale Reaktion in uns ausgelöst wird, und kognitive Empathie, die die Perspektive und den emotionalen Zustand anderer erfasst, ohne diese Gefühle mit den eigenen zu vermischen. Die Kombination beider Formen führt zu Mitgefühl, das als Reaktion auf das Leiden anderer verstanden wird. Empathie ist eine Schnittstelle zwischen Rationalität und Emotionalität, die es ermöglicht, nicht nur intellektuell, sondern auch emotional die Perspektive anderer zu verstehen.

Über die Studie

Die Begleitstudie wurde von der Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule für Soziale Arbeit, und vom Migros-Kulturprozent finanziert.  Johanna Kohn führte die Untersuchung mit Noemi Balsiger, Daniele Bigoni und Simone Girard-Gröber im Zeitraum Juni 2021 bis November 2022 in der Schweiz durch. Die Studie beschäftigt sich mit der Frage, ob und wie sich in Online-Erzählcafés Empathie zeigt und wie diese gefördert werden kann. An der Studie haben neun Personen mitgemacht. Sie wurden an drei Erzählcafés beobachtet.

Am 17. Oktober 2023 fand an der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung (EHB) in Lugano das Thementreffen des Netzwerks Erzählcafé für die italienische Schweiz statt. Für diese Veranstaltung haben wir ein ebenso wichtiges wie komplexes Thema gewählt: den Umgang mit der Privatsphäre, wenn autobiografische Geschichten miteinander geteilt werden. An der Veranstaltung nahmen Marilù Zanella (Auto aiuto Ticino), Noè Albergati (EHB), Ludmila Crippa (Moderatorin des Netzwerks Erzählcafé) und Michelle Colombo (Verfasserin einer Diplomarbeit über formelle und informelle Hilfe) teil.

Von Valentina Pallucca Forte

Das gewählte Thema ermöglichte es uns, verschiedene Methoden des Austauschs zu vergleichen, die manchmal verwechselt werden. Wir befassten uns insbesondere mit Selbsthilfegruppen und der Human Library. Zwar kann man davon ausgehen, dass die an Erzählcafés teilnehmenden Personen einen kleinen (oder grossen) Teil ihrer Erfahrungen preisgeben möchten, es kann aber passieren, dass sie zu viel von sich erzählen. Manchmal kommt es vor, dass man sich in dieser ungezwungenen und freundlichen Atmosphäre gehen lässt und den anderen mehr offenbart, als man eigentlich möchte oder geplant hatte.

In Selbsthilfegruppen ist die Situation möglicherweise noch heikler, da oft sensible Themen behandelt werden. Wenn ich zum Beispiel an einer Selbsthilfegruppe zum Thema Magersucht teilnehme, weil meine Tochter an einer Essstörung leidet, wissen dann die anderen Teilnehmenden, dass es dieses Problem in meiner Familie gibt. Wer schützt die Privatsphäre meiner Tochter? Wie viel kann ich über sie in der Gruppe erzählen? Wo ist in diesen Fällen die Grenze zu ziehen? Am Treffen stellte sich heraus, dass dies in kleinen Städten wie Lugano noch problematischer ist, da es sein kann, dass man jemanden aus der Gruppe kennt.

Die Human Library

Interessant war auch, was eine Teilnehmerin erzählte, die eine andere Methode des Austausches ausprobieren wollte: die Human Library. Bei der Human Library werden Menschen zu Büchern, die man durchblättern kann. Sie stellen sich für eine bestimmte Zeit anderen Menschen zur Verfügung, um gelesen zu werden, sprich um Fragen zu ihrer persönlichen Geschichte zu beantworten. Das hat sie erzählt:

«Ich war sofort Feuer und Flamme, als mir vorgeschlagen wurde, mich als menschliches Buch für die Human Library zur Verfügung zu stellen. Als ich aber meiner Familie davon erzählte, stiess ich auf grossen Widerstand. Meine Lebensgeschichte ist mit der meiner Familienangehörigen verflochten, und sie waren nicht so begeistert wie ich von der Vorstellung, sie öffentlich zu erzählen. Letztendlich habe ich einen Rückzieher gemacht, um ihre Privatsphäre zu schützen.»

Diese Erzählung zeigt uns, wie unsere Lebensgeschichten unweigerlich mit den Lebensgeschichten unserer Familienangehörigen, Freunde und Vertrauten verbunden sind. Zwar können wir unsere Privatsphäre oder die Privatsphäre der uns nahestehenden Personen mit einigen kleineren Strategien schützen, eine Grenze festlegen, über die wir nicht hinausgehen wollen. Es lohnt sich jedoch immer, die Teilnehmenden dazu aufzufordern, respektvoll mit den persönlichen Erzählungen umzugehen und sie vertraulich zu behandeln.

Den Moderierenden kommt beim Schutz der Privatsphäre der erzählenden Personen eine entscheidende Rolle zu. Sie müssen Situationen, die die Privatsphäre der erzählenden Personen gefährden könnten, erkennen und mit Feingefühl damit umgehen. Das Moderieren von Erzählcafés ist eine Kunst, die man mit der Zeit erlernt. In diesem Zusammenhang möchten wir daran erinnern, dass das Netzwerk Erzählcafé regelmässig Einführungskurse für angehende Moderatorinnen und Moderatoren sowie Möglichkeiten zum Austausch und Vertiefen bestimmter Themen anbietet.

In unserer Agenda finden Sie alle kommenden Veranstaltungen.

In diesem Video erfahren Sie mehr über die Human Library:

Prof. lic. phil. Johanna Kohn (im Bild) wird im Frühjahr 2024 eine inspirierende Weiterbildung für Moderierende anbieten. Johanna ist Professorin an der Fachhochschule Nordwestschweiz, Mitgründerin des Netzwerks Erzählcafé und eine Koryphäe im Bereich der biografischen Erzählformate. Die Weiterbildung in zwei Modulen und einer Praxisphase richtet sich an Moderierende, die künftig andere Moderierende in ihrer Region begleiten oder Erzählcafé-Einführungskurse anbieten möchten.

Johanna Kohn (Bild: FHNW)

Daten:

Wir starten mit dem ersten Modul am 12./13. Februar 2024 in Olten. Das zweite Modul findet am 24. Mai 2024 online statt. Danach begleitet die Kursleitung Sie für ca. ein Jahr.

Infos:

In diesem Flyer finden Sie alle Informationen zur neuen Weiterbildung.

Kursleitung:

Johanna Kohn mit Unterstützung von Rhea Braunwalder und Natalie Freitag.

Ihre Vorteile:

  • Sie bekommen das Rüstzeug, um eigene Erzählcafé-Einführungskurse in Ihrer Region anzubieten und Moderierende auszubilden.
  • Sie entwickeln Ihre eigene Projektidee und werden dabei von der Kursleitung und der Gruppe unterstützt.

Vergünstigter Preis von CHF 400.- für:

Anmeldung:

Wir freuen uns, wenn Sie mit dabei sind und sind überzeugt, dass diese Weiterbildung Sie auf Ihrem persönlichen Weg als Moderator*in weiterbringt.

Bald ist es soweit: Die ganze Schweiz trifft sich am Wochenende vom 17. bis 19. November 2023 zu den nationalen Erzählcafé-Tagen 2023. Merkt euch den Termin vor und besucht eines von 50 Erzählcafés!

Los geht’s mit den Erzählcafé-Tagen 2023 bereits am Donnerstag, 16. November 2023, 18.15 Uhr: Das Netzwerk Erzählcafé, Zuhören Schweiz, Pro Futuris und das Ortsmuseum Zollikon laden zu einem interaktiven Zuhörabend im Ortsmuseum Zollikon ein. Dort findet gleichzeitig die Sonderausstellung «A mile in my shoes – Zuhören als Akt der Empathie» statt. Die Ausstellung entstand mit dem Empathy Museum London, Empathie Stadt Zürich und dem Berner Generationenhaus und kann im Rahmen der kostenlosen Veranstaltung besichtigt werden (zum Flyer). Kommen Sie und gestalten Sie mit uns einen Moment des gegenseitigen Zuhörens!

Menschen hören sich an 50 Erzählcafés zu

Am Wochenende finden in der ganzen Schweiz rund 50 Erzählcafés  zum Thema «Zuhören» statt. Die Moderatorinnen und Moderatoren freuen sich auf zahlreiche Interessierte aller Generationen, die sich auf ein besonderes Erlebnis einlassen. Wer kurzfristig noch ein Erzählcafé anbieten möchte, findet hier Informationen und darf sich gern bei Natalie Freitag melden.

Am 15. September 2023 feierte die Schule in Poschiavo den Internationalen Tag der Demokratie. Alle neun Klassen, bestehend aus etwa 130 Schülerinnen und Schülern, versammelten sich zusammen mit ihren Klassenlehrpersonen und einigen Mitgliedern des Jugendparlaments zum Erzählcafé. Es drehte sich um die verschiedenen Facetten der Demokratie. Catia Curti, Leiterin der Sekundarstufe I der Schulen von Poschiavo, teilt ihre Eindrücke von diesem besonderen Tag.

Die Atmosphäre an diesem Freitag, dem 15. September, war geprägt von «Stärke, Intensität und einem Gefühl der Befreiung». So beschrieben die Schülerinnen und Schüler der Mittelschule von Poschiavo das Erzählcafé zum Thema Demokratie. Über anderthalb Stunden lang führten sie lebhafte Gespräche, diskutierten leidenschaftlich, manchmal wurde es laut, und hin und wieder flossen auch Tränen. Die Mitglieder des Jugendparlaments, Drittklässlerinnen und Drittklässler, die sich seit dem letzten Jahr für die Belange der Jugendlichen im Tal einsetzen, wählten ein facettenreiches Thema aus dem Bereich der Demokratie und präsentierten es den einzelnen Klassen.

Was heisst eigentlich Demokratie?

Die Themen reichten vom Recht der freien Meinungsäusserung bis hin zu persönlichen Erfahrungen von Jugendlichen, die sich in ihren Familien, Schulen oder Freundeskreisen nicht immer frei fühlen, ihre Meinung zu sagen und sie selbst zu sein. Es wurde über weltweite und innere Konflikte debattiert, über die wahre Bedeutung von Gleichheit und wie weit wir von ihrer vollen Verwirklichung entfernt sind, sei es im globalen Multikulturalismus oder in unserer kleinen, lokalen Realität. Die Diskussionen reichten von der Bedeutung der Wahl von Vertretern bis hin zur Wahl der Mitglieder des Jugendparlaments in der Schule und sogar zu Vorschlägen zur Förderung kultureller Initiativen im Unterricht. Die jungen Menschen überlegten auch gemeinsam, was als öffentliches Gut betrachtet wird und welche Pflichten jede und jeder Einzelne hat, um das zu bewahren und zu respektieren, was allen gehört.

Jede Klasse, jede Gruppe und jede*r Schüler*in hatten die Möglichkeit, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken. Sie sprachen über Themen, die sehr relevant sind, aber wenig zur Sprache kommen. Die Schülerinnen und Schüler haben das Gespräch mit grosser Reife und Überzeugung geführt. Das Erzählcafé war ein grosser Erfolg, und viele haben bereits gefragt, wann das nächste stattfinden wird.

Oft neigen wir dazu zu denken, dass das Plaudern in der Hektik des Alltags Zeitverschwendung ist. In Wahrheit handelt es sich jedoch um eine eine nützliche und gesunde Praxis. Es liegt in der Natur des Menschen, sich auszutauschen, Meinungen zu teilen und zu diskutieren. Und was ist dazu besser geeignet als ein Erzählcafé? Es ist eine wunderbare Form, um über das zu sprechen, was die Menschen glücklich und frei macht: Demokratie!

Catia Curti, Leiterin der Sekundarstufe I der Schulen von Poschiavo

Natalie Freitag moderierte die Intervision #8 am 24. August 2023 in Basel. An der Tagung tauschten sich die Moderierenden unter anderem über die Frage der idealen Gruppengrösse bei einem Erzählcafé aus. Sie gibt einen Einblick in die Gedanken, die dabei entstanden.

An der Intervision 2023 in Basel nahmen 12 Moderierende des Netzwerks Erzählcafé teil. Sie trafen sich, um sich zum Thema «Erzählcafés in Grossgruppen» auszutauschen. Der rege Austausch begann schon vor dem Anlass mit Kaffee und Gipfeli. Dann startete die Gruppe mit einem Erzählcafé zum Thema «Sommer». Barfusslaufen als Inbegriff von Sommer, das Schreien der Kinder in der Badi, die Freiheit, einen anderen Tagesrhythmus zu leben, aber auch das Fehlen der Schulgspänli: die Erinnerungen aus der Kindheit ähnelten sich. Das Gespräch führte unweigerlich auch zu den vielen Glacé-Sorten in der Badi. Erstaunlicherweise hatten alle in der Gruppe ein anderes Lieblingseis!

Erfahrungen mit grösseren Gruppen

Johanna Kohn und Claudia Sollberger gaben im Anschluss Einblick in ihre Erfahrungen mit grossen Gruppen und warfen die Fragen in die Runde:

  • Was ist die ideale Gruppengrösse bei einem Erzählcafé?
  • Wieviele Personen müssen mindestens da sein, damit ein Gespräch entsteht?
  • Und ab wievielen Personen wird es schwierig, ein Erzählcafé allein zu moderieren?

Die Professorin und die erfahrene Moderatorin kennen es aus eigener Erfahrung, Gruppen von 50 oder 100 Personen zu moderieren. Die Teilnehmenden hatten viele Ideen, wie eine Moderation reagieren kann, wenn mehr Personen als geplant zum Erzählcafé kommen:

  • Um das Format auch bei grösseren Veranstaltungen einzusetzen, kann eine kleine Erzählcafé-Runde auf dem Podium gestartet werden. Das Publikum kann das Erzählcafé passiv mitverfolgen. Im Anschluss kann die kleine Runde für alle geöffnet werden.
  • Eine Moderation kann die grosse Gruppe auf mehrere Tische aufteilen. Idealerweise moderiert dann eine Person pro Tisch das Gespräch. Die Fragen, die an die vielen kleinen Gruppen an den Tischen gestellt werden, wird im Anschluss im Plenum aufgegriffen.
  • Die Moderation behält die grosse Gruppe bei, wird aber durch ein bis zwei Helfer*innen unterstützt. Diese können zum Beispiel mit dem Mikrofon zur Person gehen, die etwas beitragen möchten.

Auftraggebende gut briefen

Das Gespräch regte zu weiteren Geschichten über eigene Erfahrungen mit verschiedenen Gruppengrössen an und führte am Nachmittag zu einem sehr konzentrierten und interessierten Austausch über Bezahlung, An- und Abmeldung und das Fehlen dieser Möglichkeit. Ein wichtiger Gedanke, der aufkam, war, dass die Auftraggebenden gut informiert und gebrieft werden müssen, um keine falschen Erwartungen zu wecken. Sie kennen das Angebot oft nicht so genau und können eine andere Vorstellung entwickeln, was ein Erzählcafé zu leisten vermag.

Fazit der Diskussion ist, dass auch Erzählcafés in grösseren Gruppen möglich sind. Das Netzwerk Erzählcafé ermutigt alle Moderierenden, es einmal auszuprobieren und Erfahrungen damit zu sammeln. Diese können zum Beispiel am «Schwarzen Brett» geteilt werden.

Im Anschluss an die Tagung genossen die Teilnehmenden im kühlen Schatten des Gartens im Zwinglihaus ein feines Essen vom Restaurant du coeur. Sie waren sich einig, dass sie sehr von diesem Tag profitieren konnten – vom Austausch über das inspirierende Miteinander bis zu den vielen Inputs für die eigene Arbeit. Danke an alle, die mitgewirkt und unterstützt haben!

Übrigens: Unsere Online-Stammtische sind auch wunderbare Gefässe für einen kurzen Austausch ohne lange Anfahrtszeit! Zu finden in der Agenda.

 

Zur Autorin

Natalie Freitag ist Regionalkoordinatorin des Netzwerks in der Deutschschweiz. Die Ostschweizerin moderierte die Tagung und resümiert: «Ich ermutige euch, auch Erzählcafés, bei denen ein einzelner Stuhlkreis nicht mehr genügt, sorgfältig vorzubereiten.»