«Die Improvisation ist die Mutter der Kreativität»

Tobias ist von Beruf Improvisationstrainer und Geschichtenforscher. Der ehemalige Reiseberater und Personalleiter hat seine Leidenschaft fürs Improvisieren schon vor vielen Jahren entdeckt und gründete vor zehn Jahren das Playback-Theater St.Gallen. Er steht häufig auf der Bühne, unterrichtet an Fachhochschulen und übt die Kunst der Improvisation mit Unternehmen.

 

Tobias, was hat dich ans Erzählcafé geführt?

Tobias: Ich wurde von einer Bekannten eingeladen und war neugierig auf das Format. Ich übe mich seit vielen Jahren darin, eine Verbindung zwischen der Bühne und dem Menschen zu schaffen. Das Erzählcafé erschien mir wie eine Bühne, auf der Menschen sich kleine und grosse Abenteuer aus ihrem Leben erzählen.

Haben sich deine Erwartungen erfüllt?

Es war ein schöner Anlass an diesem Sonntagmorgen. Ich kannte niemanden. Doch sehr rasch entstand eine Verbindung über die persönlichen Erlebnisse, die wir uns erzählt haben. Was mich fasziniert hat, ist, dass es nicht wie an einem Stammtisch zu und her ging, wo alle sich ins Wort fallen. Wer etwas erzählt, bekommt die volle Aufmerksamkeit der anderen. Das macht einfach etwas mit mir als Erzähler. Ich bekomme Wertschätzung und gehe viel vorsichtiger mit meinen Worten um.

Gibt es Parallelen zur Erzählform des Playback-Theaters, das du praktizierst?

Ganz klar. Bei beiden Formen geht es darum, einander aufmerksam zuzuhören und non-verbale Signale des Gegenübers wahrzunehmen. Wenn jemand seine Geschichte beendet, nimmt der nächste den roten Faden auf und spinnt die Erzählung weiter. Über die Geschichte rückt der Mensch in den Vordergrund und es entsteht eine Verbindung, ein gemeinsames Erlebnis.

Welchen Stellenwert hat die Improvisation in unserer Gesellschaft?

Wir leben in einer eng vernetzten Welt mit einer hohen Informationsdichte. Was heute gilt, kann morgen schon wieder überholt sein. Das stellt viele Menschen vor eine schwierige Situation, denn sie müssen improvisieren. Wer lernt, wieder mehr auf seine Intuition zu hören und einfach mal auszuprobieren, ist automatisch agiler. Die Improvisation ist die Mutter der Kreativität. In der Kunst ist sie akzeptiert, im Geschäftsleben hat sie leider einen schlechten Ruf. Ich bin aber überzeugt, dass wir dem Konzept der Improvisation auch im Arbeitsalltag mehr Raum geben müssen.

Was würdest du einem Manager raten?

Ich würde der Person raten, die Ressourcen zu nutzen, die man in sich drin hat. Wer lernt, in einem offenen Raum der eigenen Intuition und Kreativität zu vertrauen, wird ganz viel über sich selbst lernen. Das heisst natürlich auch, dass man über seine Komfortgrenze hinausgeht. Da wird es herausfordernd, aber da macht es auch Spass.

Zur Person

Tobias ist Leiter des Playback-Theaters St.Gallen. Er hat seine Ausbildung am Centre for Playback Theatre
in New York absolviert. Der ehemalige Reiseberater und Personalleiter unterrichtet an Fachhochschulen, trainiert die Improvisation mit Unternehmen und spielt selber leidenschaftlich gerne auf der Bühne. Beim Playback-Theater treffen sich Menschen zur Interaktion ohne Skript und Vorlage. Gemeinsam gestalten sie, auf der Basis ihrer eigenen Abenteuergeschichten und Erlebnisse, einen Theaterabend.

www.ent-rollen.ch