Väter unter sich: Wie erleben sie die Geburt ihrer Kinder?

Stefanie Schmid-Altringers Idee, Erzählcafés für Väter anzubieten, stiess auf grossen Anklang. Die Ärztin und Mutter von zwei Kindern aus Bonn schafft damit einen Raum für Väter, um sich über die Geburt ihrer Kinder auszutauschen und Erfahrungen zu verarbeiten. Im Interview erzählt sie, warum Väter gezielter in den Prozess der Geburt involviert werden müssen.

Interview: Fanny Rose Anderson
Foto: nahdran

Wie entstand der Aktionstag «Väter, Ihr seid wichtig» der Erzählcafé-Aktion?

Stefanie Schmid-Altringer: Bevor ich mit den Erzählcafés angefangen habe, entwickelte ich das Modellprojekt «Lernen im Geburtshaus», in dem wir im Bonner Geburtshaus mit Schüler*innen in kleinen Gruppen kunsttherapeutisch das Thema Schwangerschaft und Geburt auf neue, stärkende Weise erarbeitet haben. Ziel war es, Unsicherheiten rund um die Geburt zu beseitigen. Dieses Projekt war ein Augenöffner für mich: Viele Jugendliche, vor allem Jungs, haben oft ein falsches Bild von der Geburt. Obschon sie interessiert wären, werden sie im Schulunterricht meist nicht dort abgeholt, wo sie stehen. Und genauso geht es weiter, wenn sie später selbst eine Familie gründen: Wenn es ums Kinderkriegen geht, stehen Mutter und Kind im Zentrum.

Was müsste passieren, um Männer mehr ins Zentrum zu rücken?

Eine wirklich gute Geburtskultur muss die ganze Familie berücksichtigen. Genau das wollten wir mit der Erzählcafé-Aktion und den Väter-Erzählcafés bewusst machen. Gerade in Zeiten, in denen es vermehrt Interventionsgeburten gibt, ist es umso wichtiger, dass auch Väter in ihrem Erleben abgeholt werden. Die Erzählcafé-Aktion bietet seit sechs Jahren für verschiedene Zielgruppen und Bedürfnisse unterschiedliche Erzählcafé-Formate zum Mitmachen an, zum Beispiel für Jugendliche, geflüchtete Frauen oder eben jetzt auch für Väter. Damit wollen wir den Vätern eine Plattform geben, auf der sie ihre Erlebnisse teilen können. Aus diesen Erfahrungen heraus erstellen wir übrigens gerade eine kostenlose Broschüre zur Geburtsvorbereitung – nur für Väter.

Wieso setzen Sie auf das Format Erzählcafé?

Ich wollte unbedingt ermöglichen, dass Menschen in einem angenehmen, entspannten Umfeld ihre Erfahrungen teilen können. Gerade bei medizinischen Anliegen gibt es wenig Möglichkeiten, diese Fragen und Erlebnisse ausserhalb der Arztpraxis zu besprechen oder zu verarbeiten. Unsere Erzählcafés «Der Start ins Leben» erlauben es, Unsicherheiten mitzubringen, Fragen zu stellen oder auch einfach nur zuzuhören. Ganz bewusst führen wir unsere Erzählcafés darum ohne Expert*innen durch, denn die Teilnehmenden sind mit ihrem «Erfahrungswissen» selbst Experten. Das ist das Konzept dieses von uns entwickelten Erzählcafé-Formats.

Welche Wirkung erzeugt ein solches Erzählcafé?

Die Erzählcafé-Aktion erlaubt es uns, eine Doppelwirkung zu erzeugen. Auf der individuellen Ebene helfen Menschen einander durch den sozialen Austausch. Auf der gesellschaftlichen Ebene können wir über unsere Plattform, auf der wir anonyme Zitate von Teilnehmenden publizieren, mehr Aufmerksamkeit für eine partizipativere Medizin einfordern.

Was raten Sie Personen, die auch ein Erzählcafé für Väter organisieren möchten?

Um Väter für das Thema zu gewinnen, muss man sie gezielt ansprechen, etwa mit Informationsmaterial, das spezifisch für sie entwickelt wird. Es sollte berücksichtigt werden, dass Männer nicht die gleiche Erzählkultur zum Thema Geburt haben wie Frauen. Das gilt es bei der Moderation zu berücksichtigen. Auch gemischte Gruppen mit Männern und Frauen sollten nicht ausgeschlossen werden. Da es beim Erzählcafé darum geht, aktiv zuzuhören, können auch Frauen wertvolle Erfahrungen machen, wenn sie den Männern einfach mal zuhören, was sie im Kreissaal oder zu Hause erlebt haben. Und es macht durchaus Sinn, Erzählcafés bereits in der Geburtsvorbereitung oder -nachbereitung anzubieten, denn man kann nicht früh genug damit anfangen, sich aktiv mit der Geburt auseinanderzusetzen.

Verfolgen Sie die Diskussion zum Vaterschaftsurlaub in der Schweiz?

Ja, natürlich. In Deutschland, wo sich beide Elternteile unbezahlt Elternzeit und die Väter seit einigen Jahren einen anteilig bezahlten Vaterschaftsurlaub nehmen dürfen, hat sich gezeigt, dass die Väter diese neue Möglichkeit wirklich wahrnehmen. Das stärkt die Familie. Beide, Vater und Mutter, haben mehr Zeit, sich in der neuen Rolle zurechtzufinden und Lösungen etwa bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu finden. Ist diese Angewöhnungszeit zu kurz oder wird einer der Partner zu wenig einbezogen, kann dies längerfristig zu einer Überforderung führen. Daraus entstehen im schlimmsten Fall Krankheiten oder ernste Paarprobleme. In dem Sinne wünsche ich mir für die Schweiz, dass sie die Chancen des Einbezugs von Vätern ins familiäre Leben erkennt und hier einen Schritt weiterkommt. Langfristig werden davon alle Beteiligten und auch das Gesundheitswesen profitieren.

 

Zur Person

Dr. med. Stefanie Schmid-Altringer studierte Medizin an der Universität Bonn und promovierte 1997 mit ‚cum laude’. Seit 1999 ist sie als freiberufliche Wissenschaftsjournalistin und Buchautorin tätig. Mit dem Themenschwerpunkt Gesundheit produziert sie als Expertin, Autorin und Regisseurin zahlreiche TV-Dokumentationen und mehrere Bücher. Seit 2011 leitet und konzipiert sie neue Formate von Gesundheitsveranstaltungen und hat 2014 zusammen mit Hebammen für Deutschland e.V. das Mitmachprojekt Erzählcafé-Aktion ins Leben gerufen. Es setzt sich mittlerweile international für eine gesündere Geburtshilfe ein. Infos und Kontakt unter: www.nahdran-kommunikation.de