Was, wenn niemand an mein Erzählcafé kommt?

Autorin: Rhea Braunwalder
Foto: Anna-Tina Eberhard

Die Migros rief mit der Weihnachtskampagne dazu auf, niemanden allein zu lassen. Ich wollte einen Beitrag leisten und in der Adventszeit ein Erzählcafé anbieten. Ich freute mich auf neue Gesichter am Tisch. Doch dann sass ich (ziemlich) allein da. Woran lag es? Und wie gehen Moderatorinnen und Moderatoren damit um, wenn nur wenige Menschen – oder niemand – kommt?

Rhea Braunwalder, Projektgestalterin und Moderatorin von Erzählcafés

Mit diesem Beitrag möchte ich ein wichtiges Thema ansprechen: die Partizipation am Erzählcafé. Aus meiner langjährigen Erfahrung als Moderatorin von Erzählcafés weiss ich, wie wichtig eine offene  Gesprächskultur unter Moderierenden ist. Gemeinsam zu reflektieren, bringt uns alle weiter.

Ich habe letzten Samstag ein Erzählcafé angeboten. Meine Schwester ist gekommen, die restlichen Stühle blieben leer. Wir haben dann zusammen einen Tee getrunken und Musik gehört. Natürlich habe ich mich gefragt, woran es lag, dass niemand kam, und was es bräuchte, damit mehr Personen an meine Erzählcafés kommen.

Allein auf weiter Flur – woran liegt es?

Wenn ich ein Erzählcafé organisiere und nur eine oder zwei Personen kommen, bin ich enttäuscht. Ich überlege mir: War mein Erzählcafé zu kurzfristig angekündet? Liegt es an mir als Person? Lag es am Wetter, an der Tageszeit, am Wochentag, am Thema, an der Pandemie? Unweigerlich befinde ich mich in einer Rechtfertigungshaltung. Ich fühle mich, als müsste ich auch noch Aussenstehenden versichern: «Auch zu zweit war es schön, und es wurden viele Geschichten ausgetauscht!»

Auch wenn mir andere Moderierende und die Gäste versichern, dass sie das Erlebnis auch in einer kleinen Runde geniessen, beschäftigt mich das. Ich finde es wichtig, dass wir öfter und offener darüber reden, wenn unsere Erzählcafés nicht so gut gelaufen sind. Wir sollten es nicht als Scheitern oder Misserfolg empfinden. Schliesslich geht es, besonders bei Erzählcafés, nicht um eine leistungsorientierte Tätigkeit – weder beim Teilnehmen noch beim Moderieren.

Partizipation fängt schon bei der Planung an

Ich vermute, dass das Rezept eines erfolgreichen Erzählcafés die Partizipation ist. Das Netzwerk Erzählcafé Schweiz ruft zu partizipativen Erzählcafés auf. Partizipation kann von Mitsprache über Mitentscheidung bis zu Beteiligung reichen. Partizipation ist nicht nur bei der Durchführung, sondern bereits bei der Planung eines Erzählcafés empfehlenswert. Oft bleiben wir in der Planung bei einer Vorstufe der Partizipation: der Informierung. Wir suchen ein Thema aus, einen Ort, eine Uhrzeit. Dann kommunizieren wir die Fakten. Vielleicht ist es nicht ganz so überraschend, dass wenige Personen kommen. Denn eine Person, die an einem Erzählcafé teilnimmt, muss zufällig gerade dann Zeit haben, mit dem Thema resonieren, an diesem Ort sein und noch die Information irgendwo gelesen haben.

Wenn wir potenzielle Teilnehmende nebst der Informierung auch noch nach ihrer Meinung oder nach ihren Erfahrungen fragen würden, wäre das ein weiterer Schritt in Richtung eines partizipativ gestalteten Erzählcafés. Richtig partizipativ wird es dann, wenn wir mit den Teilnehmenden gemeinsam das Erzählcafé planen, zum Beispiel in einer Planungsgruppe. Hier bestimmt die Gruppe gemeinsam den Tag, die Uhrzeit und das Thema. So freuen sich alle gemeinsam auf «ihr» Erzählcafé, das zum Gemeinschaftsprojekt geworden ist.

Eine persönliche Einladung ist entscheidend

Ich bin auch sicher, dass die Reise zu erfolgreicheren Erzählcafé mit einer persönlichen Einladung beginnt. Denn wir dürfen nicht vergessen: Viele Menschen haben eine hohe Hemmschwelle, etwas Neues auszuprobieren und sich gegenüber anderen zu öffnen.

Es würde mich interessieren, wie diese Einladung lauten könnte. Schreibt mir doch eine E-Mail mit euren Gedanken und Kommentaren oder teilt eure Erfahrungen im Schwarzen Brett. Ich freue mich, von euren Erfahrungen zu lesen: rhea.braunwalder@netzwerk-erzaehlcafe.ch.